Glockenjeans und Plateauschuhe
Frauen hatten in der Formel 1 bislang wenig Erfolg
Eher kann man den Mädels empfehlen, zum Militär zu gehen, denn Rennfahren ist Männersache. Sofern Frau hier überhaupt eine Rolle spielt, dann üblicherweise als schmückendes Beiwerk oder als Gesprächsstoffspenderin für TV-Moderatoren, damit sie sich über fade Rennrunden retten. Früher einmal war das geringfügig anders. Sie saß in der Box ihres Mannes, stoppte für ihn die Zeiten per Hand, führte die Rundentabelle, war in Freud und Leid mehr oder weniger die Erste bei und mit ihm. Züchtig im Kostüm war sie ehedem gekleidet, maximal im Hosenanzug, um den Kopf ein Tuch gebunden. Das Bild der idealtypischen Rennfahrerbraut existiert aus den 60ern/70ern: Glockenjeans, Plateauschuhe, über dem Nabel zusammengeknotetes Hemd, Cowboyhut und – natürlich – riesige Sonnenbrillen. Zu jener Zeit bereits stand sie in Konkurrenz mit irgendwelchen Girl-Truppen, die ein Sponsor in eine Feminin-Uniform (meist Mini, Käppi und diese breite Tasche, die über die schmale Schulter hing) gesteckt hatte. Auf Fotos umworben sie fröhlich und lachend den Helden, der zwar nicht gezwungenermaßen untreu, aber stets ein Haudegen war. Ikonen einer seligen Männer-Epoche, in der sich die Frauen mit den Autos in friedlicher Koexistenz befanden, weil die meisten von ihnen eh noch keinen Führerschein besaßen.
So etwa alle zwanzig Jahre passierte es aber, dass die Frauenwelt eine der ihren losschickte, um es den Männern auf den Rennpisten gleich zu tun. Die erste, die es nach dem Krieg versuchte, war Maria Teresa de Filippis. Etwa zehn Jahre nach Ende der europäischen Katastrophe gehörte die Welt den Mutigen, und an Wunder durfte man auch langsam wieder glauben. Tapfer prügelte die kleine Neapolitanerin ihren Maserati über die Strecke, doch der Abschied ihrer Marke vom Rennsport 1957 kam für einen zählbaren Erfolg zu früh.
Aber dann die 70er. Nach Flower kam bald Power, die Revolte gegen das Establishment war zu einem nicht unbeträchtlichen Teil weiblich. Die Formel-1-Guerillera hieß Lella Lombardi. Als sie 1975 im Grand Prix von Spanien Sechste wurde, war ihr vergönnt, was bislang noch jeder verwehrt blieb, nämlich auf einen Punkterang zu fahren. Das Rennen musste allerdings abgebrochen werden, nachdem der Wagen von Rolf Stommelen aufgrund abrupter Heckflügellosigkeit in der 26. Runde von der Strecke abgekommen war und vier Personen niedergemäht hatte. Lombardis Platzierung war also nur einen halben Punkt wert, aber immerhin.
Als Gleichbehandlungskommissionen längst schon über das Einhalten von Quotenregelungen wachten, verpflichtete Brabham 1992 die Formel-3000-Fahrerin Giovanna Amati. Die Römerin war das typische Beispiel einer Alibi-Frau. Sie war zwar nicht unhübsch, aber den Herausforderungen des Jobs nicht gewachsen, sprich: Sie scheiterte stets in der Qualifikation und wurde ziemlich bald gegen einen Mann, nämlich Damon Hill, ausgetauscht. Das Schicksal bestrafte die frauenfeindliche Haltung (und die finanzielle Lage) des Teams quasi postwendend, am Ende der Saison hieß es auch Aus für Brabham.
Keine dieser Frauen gelangte allerdings auch nur annähernd zu dem Ruhm einer Elisabeth Junek aus den 20ern. Zu einer Zeit, als die proletarischen Frauen schon ziemlich gut in Radfahrvereinen organisiert waren, mischte die Prager Bankiersgattin mit ihrem Bugatti die männliche Konkurrenz auf. Und als sie 1928 bei der Targa Florio sogar in Führung gelegen war, ehe sie ein Reifenschaden auf den 5. Rang zurückwarf, schwärmte selbst der Mercedes-Macho Alfred Neubauer: „So etwas hat die Welt noch nicht gesehen!“
Erschienen in DER STANDARD, 10.3.2000